Bessere Regulation bei Störungen des Eisenhaushaltes
Lactoferrin ist in der Lage, Eisen zu binden und den Eisenhaushalt im Körper zu regulieren. Über diese Fähigkeit kann Lactoferrin Entzündungen reduzieren und das Immunsystem unterstützen, indem es Mikroorganismen die Grundlage für ihr Wachstum entzieht [1].
Als Glykoprotein des Eisenstoffwechsels kann Lactoferrin helfen Störungen in der Eisenhomöostase wie die Eisenmangelanämie zu bekämpfen und an der Downregulation von entzündlichen Prozessen teilzunehmen [2].
Über die Wirkungsweisen innerhalb der Eisenhomöostase haben Rosa et al. in 2017 einen interessanten Übersichtsartikel publiziert [1].
Eisen ist ein wesentliches Element für Zellwachstum und Zellproliferation und essenziell für Prozesse der DNA-Replikation und der Energiegewinnung. Es kann jedoch auch toxisch sein, wenn es im Übermaß vorhanden ist, da es Elektronen an Sauerstoff abgeben kann, was zur Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) führt. Diese können dann Gewebeverletzungen und Organschäden verursachen, indem sie eine Reihe von Zellbestandteilen, darunter DNA, Proteine und Membranlipide, beschädigen [1].
Unter normalen Umständen liegen keine nennenswerten Konzentrationen von freiem Eisen vor, da Eisen praktisch immer in komplexierter Form und/ oder in proteingebundener Form vorliegt [3]. Im Gegensatz zu anderen Mineralien wird das empfindliche Gleichgewicht zwischen Eisenaufnahme und -toxizität durch systemische Kontrollmechanismen aufrecht erhalten, die die Erhaltung einer ausreichenden Eisenmenge vorantreiben bei gleichzeitiger Begrenzung einer zu großen Aufnahme. Letztlich sind diese Eigenschaften des Eisens und seiner Homöstase eng mit der Reaktion auf Entzündungen und Infektionen verbunden, die so in der menschlichen Physiologie einzigartig sind [4].
Dieses Gleichgewicht zwischen dem Eisen, welches im Blut und dem, das im Gewebe vorhanden ist, wird als Eisen-Homöostase bezeichnet. Diese wird durch verschiedene Mechanismen streng kontrolliert, um einen Eisenmangel sowie einen Eisenüberschuss zu verhindern [1].
Eine wichtige Rolle spielt hier das Ferroportin, ein Transmembranprotein, das zweiwertige Eisenionen (Fe2+) aus dem Zellinneren in den Extrazellulärraum transportiert [1,4].
Im Falle einer Entzündungsreaktion oder einer Infektion, wird Ferroportin durch das proinflammatorische Zytokin Interleukin-6 (IL-6) und durch Bindung an Hepcidin, ein Protein aus der Leber runterreguliert. Dies führt zu einem erheblichen Rückgang des Eisenexports aus den Zellen heraus.
In Folge entsteht eine Eisenüberladung auf zellulärer Ebene, während auf der systemischen Ebene Eisenmangel, Eisenmangel-Anämie und Entzündungsanämie auftreten können [1].
Die übliche Intervention bei Eisenmangel besteht aus der Eisensubstitution, primär mit der oralen Gabe von Eisensulfat. Hier konnte nachgewiesen werden, dass eine herkömmliche hochdosierte Supplementierung an aufeinanderfolgenden Tagen den Hepcidinspiegel erhöht und die Bioverfügbarkeit von Eisen verringert, insbesondere wenn sie mehrmals täglich verabreicht wird. Auch können unter der Therapie multiple unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung und eine Schwarzfärbung des Stuhls [5]. Ebenso kann die Einnahme von Eisenpräparaten einen Einfluss auf der Mikrobiom des Darms nehmen [6].
Bei einer Entzündungsanämie, der schwersten Eisenhomöostase-Störung, liegt die große Schwierigkeit der Therapie in den hohen IL-6-Spiegeln, mit denen sie einhergeht. Lange ging man davon aus, dass die Reduktion der Eisenverfügbarkeit im Blut ein Abwehrmechanismus gegen extrazelluläre Pathogene darstellt. Rosa et al empfehlen jedoch, die klassische Eisentherapie zu überdenken, gibt es doch Bakterien, die bis in die Zelle eindringen und dort Entzündungen auslösen können. Diese könnten von der Eisenüberladung der Zelle profitieren und eine noch stärkere Reaktion verursachen [1].
Lactoferrin hat eine molekulare Struktur, die verschiedene Bindungsmöglichkeiten für verschiedene Zelltypen und spezifische Rezeptoren bietet. Es gehört zur Gruppe der Transferrine und ist in der Lage Eisen zu binden. Dabei unterstützt es den Körper bei der Aufrechterhaltung der Eisenhomöstase [7].
Während Infektions- und/oder Entzündungsprozessen steigt die auch Konzentration an Lactoferrin im Körper, da es von Immunzellen (neutrophile Granulozyten) produziert und freigesetzt wird. Daneben entstehen im infizierten Gewebe große Mengen an reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), entweder durch freies Eisen, das aus untergegangenem (nekrotisiertem) Gewebe frei wird, oder durch die Überproduktion von neutrophilen Granulozyten. Die schützende und entzündungshemmende Wirkung von Lactoferrin basiert darauf, dass es nicht nur freie Eisen(III)- Ionen, sondern auch entzündungsfördernde bakterielle Komponenten wie Lipopolysaccharide (LPS) und deren Rezeptoren bindet [8].
Die hohe Affinität und Stabilität der Eisenbindung durch Lactoferrin machen das Protein nicht nur zu einem leistungsstarken Bakteriostatikum, sondern auch zu einem antioxidativen Schutzmolekül [8].
Im Hinblick auf die sogenannte Entzündungsanämie und die klinische Wirkung von Lactoferrin konnte in einer Studie von 2006 bei schwangeren Frauen gezeigt werden, dass die orale Gabe von 100mg Lactoferrin in Kombination mit Eisen zweimal täglich einen signifikanten Anstieg der Konzentration der hämatologischen Parameter nach 30 Tagen der Behandlung aufweist. Im Vergleich zur alleinigen Eisensulfatgabe traten in der Lactoferringruppe keinerlei Nebenwirkungen auf [9].
Lactoferrin hat ein hohes antientzündliches Potenzial, da es die Entzündungsreaktion modulieren kann, indem es die Freisetzung von Zytokinen verhindert, die für die Rekrutierung und Aktivierung von Immunzellen an Entzündungszellen verantwortlich sind [8].
Lactoferrin ist ein Schlüsselelement des angeborenen Abwehrsystems und hat als solches entscheidende antimikrobielle Aktivitäten gegen ein breites Spektrum von Krankheitserregern, indem es mit unter anderem mit den Bakterien um Eisen konkurriert [10].
Eine reine Eisentherapie ist im Falle einer Entzündungsanämie möglicherweise nicht sehr wirksam. Zum einen, das es sich bei der Entstehung der Entzündungsanämie um einen relativen Mangel an Eisen für die Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen handelt und zum anderen, da verschiedene Mikroorganismen das überschüssige Eisen für ihre Zellvermehrung nutzen [11].
Rosa et al. unterstreicht in ihrem Artikel, dass in vivo der tatsächliche Zustand einer Entzündungsanämie aus einer Delokalisierung von Eisen entsteht, d.h. Eisenüberladung in Zellen und Geweben und Eisenmangel im Blut, und nicht aus generellem Eisenmangel [1].
In diesem Zusammenhang ist der innovative und vielversprechende Ansatz, die Entzündungsanämie anstelle von Eisenpräparaten mit Lactoferrin zu behandeln, von großer Bedeutung [1].
Quellen
1 Rosa L, Cutone A, Lepanto MS, Paesano R, Valenti P. Lactoferrin: A Natural Glycoprotein Involved in Iron and Inflammatory Homeostasis. Int J Mol Sci. 2017;18(9):1985. Published 2017 Sep 15. doi:10.3390/ijms18091985
2 Ianiro G, Rosa L, Bonaccorsi di Patti MC, Valenti P, Musci G, Cutone A. Lactoferrin: from the structure to the functional orchestration of iron homeostasis. Biometals. 2023;36(3):391-416. doi:10.1007/s10534-022-00453-x
3 Roth-Walter F. Iron-Deficiency in Atopic Diseases: Innate Immune Priming by Allergens and Siderophores. Front Allergy. 2022 May 10;3:859922. doi: 10.3389/falgy.2022.859922. PMID: 35769558; PMCID: PMC9234869.
4 Wessling-Resnick M. Iron homeostasis and the inflammatory response. Annu Rev Nutr. 2010 Aug 21;30:105-22. doi: 10.1146/annurev.nutr.012809.104804. PMID: 20420524; PMCID: PMC3108097.
5 Elstrott B, Khan L, Olson S, Raghunathan V, DeLoughery T, Shatzel JJ. The role of iron repletion in adult iron deficiency anemia and other diseases. Eur J Haematol. 2020 Mar;104(3):153-161. doi: 10.1111/ejh.13345. Epub 2019 Dec 26. PMID: 31715055; PMCID: PMC7031048.
6 Anderson GJ, Frazer DM. Current understanding of iron homeostasis. Am J Clin Nutr. 2017;106(Suppl 6):1559S-1566S. doi:10.3945/ajcn.117.155804
7 Anderson GJ, Frazer DM. Current understanding of iron homeostasis. Am J Clin Nutr. 2017;106(Suppl 6):1559S-1566S. doi:10.3945/ajcn.117.155804
8 Legrand D, Elass E, Carpentier M, Mazurier J. Lactoferrin: a modulator of immune and inflammatory responses. Cell Mol Life Sci. 2005 Nov;62(22):2549-59. doi: 10.1007/s00018-005-5370-2. PMID: 16261255; PMCID: PMC7079806.
9 Paesano R, Torcia F, Berlutti F, et al. Oral administration of lactoferrin increases hemoglobin and total serum iron in pregnant women. Biochem Cell Biol. 2006;84(3):377-380. doi:10.1139/o06-040
10 Legrand, Dominique, et al. "Lactoferrin structure and functions." Bioactive components of milk (2008): 163-194.
11 Madu AJ, Ughasoro MD. Anaemia of Chronic Disease: An In-Depth Review. Med Princ Pract. 2017;26(1):1-9. doi:10.1159/000452104