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Wechseljahre sind keine Krankheit: Alles, was Frauen (und Männer) wissen sollten

Die Hälfte der Menschheit ist von den Wechseljahren betroffen. In der PRO-Ausgabe der Health Nerds geht es um Fakten, Mythen und Tipps rund um die Wechseljahre.

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Wechseljahre sind ein Thema, das die Hälfte der Menschheit betrifft, über das jedoch noch immer viel zu wenig offen gesprochen wird. In der PRO Edition der Health Nerds diskutierten Susanne Liedtke, Unternehmerin, Gesundheitsberaterin und Gründerin von nobodytoldme.com, und die Gastgeber über die Mythen, Fakten und besten Tipps rund um die Wechseljahre. Hier fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und zeigen, wie Frauen (und Männer) diese besondere Lebensphase aktiv und gesund gestalten können. 

Was sind Wechseljahre eigentlich? 

Die Wechseljahre – medizinisch als Klimakterium bezeichnet – sind ein natürlicher biologischer Prozess im Leben einer Frau, der das Ende der reproduktiven Phase markiert. Entgegen der weitverbreiteten Annahme, die Wechseljahre begännen erst mit dem Ausbleiben der Menstruation (der sogenannten Menopause), setzt dieser Übergang deutlich früher ein – oft bereits ab etwa Mitte 30

Der hormonelle Wandel beginnt zunächst schleichend: In der späten reproduktiven Phase sinkt vor allem das Progesteron, das für die Vorbereitung der Gebärmutterschleimhaut verantwortlich ist. Diese erste hormonelle Veränderung geschieht meist unbemerkt. Erst in den folgenden Jahren kommt es auch zu zyklischen Schwankungen des Östrogenspiegels, die viele Frauen als spürbare Symptome wie prämenstruelles Syndrom (PMS), Stimmungsschwankungen oder Schlafstörungen erleben. [1]

Im Durchschnitt tritt die Menopause – definiert als die letzte spontane Menstruation – um das 51. Lebensjahr ein. Diese wird rückblickend festgestellt, nachdem über 12 Monate keine Menstruation mehr aufgetreten ist. Die Wechseljahre unterteilen sich in mehrere Phasen: 

  • Späte Prämenopause: Erste Veränderungen wie stärkere PMS, Stimmungsschwankungen, Schlafprobleme
  • Frühe Perimenopause: Zyklusschwankungen um mehr als sieben Tage. 
  • Späte Perimenopause: Längere Pausen zwischen den Blutungen (bis zu 60 Tage). 
  • Menopause: Die letzte Blutung im Leben einer Frau. 
  • Postmenopause: Die Zeit nach der Menopause
Wechseljahre sind keine Krankheit

Bildquelle: Besins Healthcare - Wechseljahre-verstehen.de (2023)

Wechseljahre bei Männern? 

Auch Männer erleben hormonelle Veränderungen – ihr Testosteronspiegel sinkt allmählich. Zwar verläuft dieser Prozess nicht so abrupt wie bei Frauen, doch auch Männer müssen sich mit Themen wie Energieverlust, Muskelabbau und Herz-Kreislauf-Risiken auseinandersetzen. Ab dem 40. Lebensjahr sinkt der Testosteronspiegel jährlich um etwa 1–2 % . Dieser Prozess wird als „Late-Onset Hypogonadism“ bezeichnet und kann bei einigen Männern zu klinisch relevanten Symptomen führen. Ein Testosteronmangel beim Mann kann sich durch eine Vielzahl körperlicher, psychischer und sexueller Symptome äußern, darunter etwa [2]:

  • Nachlassende Libido und Errektionsstörungen
  • Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen
  • Konzentrationsstörungen, Antriebslosigkeit
  • Schlafstörungen und Erschöpfung
  • Abnahme von Muskelmasse und Muskelkraft, Zunahme von Bauchfett

Die Rolle der Ernährung 

Die westliche Ernährung – geprägt von zu viel Zucker, einfachen Kohlenhydraten und gesättigten Fetten – verschärft Wechseljahresbeschwerden. Susanne Liedtke empfiehlt: 

  • Gemüse als Hauptbestandteil jeder Mahlzeit. 
  • Reduktion von Zucker und weißem Mehl (z. B. weißer Reis, Nudeln, weißes Brot). 
  • Mehr pflanzliche Lebensmittel wie Pilze, Hülsenfrüchte, Nüsse, Saaten. 
  • Pseudogetreide wie Quinoa und Buchweizen statt Weizenprodukte. 
  • Gesunde Proteinquellen (Fisch, Ei, Hühnchen statt stark verarbeiteten Fleischprodukten). 
  • Zwei Esslöffel geschrotete Leinsamen täglich für Ballaststoffe und Phytoöstrogene

Eine Überarbeitung der Ernährung kann die Hormonbalance positiv beeinflussen, Entzündungen reduzieren und Wechseljahresbeschwerden lindern.

Stressmanagement: Warum Entspannung essenziell ist

Chronischer Stress ist einer der bedeutendsten Einflussfaktoren auf die hormonelle Balance – insbesondere in den Wechseljahren. Der Körper reagiert auf anhaltende Belastung mit einer Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse), die zu einer erhöhten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol führt. Dieser Zustand hat tiefgreifende Auswirkungen auf andere hormonelle Regelkreise, etwa auf die Gonadotropin- und Steroidhormonproduktion. [3] 

Ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel kann insbesondere den Spiegel von Progesteron senken, da beide Hormone aus der gleichen Vorstufe (Pregnenolon) synthetisiert werden – ein Effekt, der als "Pregnenolon-Steal" bezeichnet wird. [4] Diese Verschiebung kann klassische Wechseljahrsbeschwerden wie Schlaflosigkeit, innere Unruhe, Reizbarkeit, Hitzewallungen und Zyklusunregelmäßigkeiten verschärfen. Gleichzeitig fördert chronischer Stress systemische niedriggradige Entzündungen, die mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Insulinresistenz und Depressionen assoziiert sind. [5] Empfohlene Maßnahmen: 

  • Yoga, Meditation und Achtsamkeit 
  • Gartenarbeit und Naturerfahrungen 
  • Regelmäßige, moderate Bewegung (besonders Krafttraining für Knochengesundheit) 
  • Intermittierendes Fasten zur Regulation des Insulinspiegels 

Das Mikrobiom in den Wechseljahren und wichtige Nährstoffe

Die Wechseljahre bringen auch Veränderungen im Darmmikrobiom mit sich. Ein gesundes Mikrobiom unterstützt nicht nur die Verdauung, sondern auch die Hormonregulation. Ballaststoffreiche Ernährung, fermentierte Lebensmittel und Probiotika können helfen, das Gleichgewicht zu erhalten. Je nach individueller Situation kann eine gezielte Supplementierung sinnvoll sein: 

  • Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) gegen Entzündungen 
  • Magnesium für Muskelentspannung und Stressabbau 
  • Selen und Jod für die Schilddrüsenfunktion 
  • B-Vitamine für Energiestoffwechsel und Nerven 
  • Cholin zur Unterstützung der Leberfunktion 
  • Eisen bei starker Menstruationsblutung 
In den Wechseljahren kommt es häufig zu einer Zunahme entzündlicher Prozesse im Körper, was Beschwerden wie Gelenkschmerzen, Hitzewallungen oder Müdigkeit verstärken kann. Omega-3-Fettsäuren, vor allem die langkettigen Formen EPA und DHA aus fettem Seefisch, aber auch Alpha-Linolensäure aus Leinsamen und Walnüssen, wirken entzündungshemmend. Sie hemmen die Synthese proinflammatorischer Zytokine wie Interleukin-6 und TNF-α, die bei menopausalen Beschwerden eine Rolle spielen. [6]

Die hormonellen Schwankungen während der Wechseljahre wirken sich auch auf das zentrale Nervensystem aus. Eine gezielte Zufuhr bestimmter Mikronährstoffe, darunter Magnesium, Omega-3-Fettsäuren und B-Vitamine (v. a. B6, B9 und B12), kann die Produktion und Regulation von Neurotransmittern wie Serotonin unterstützen – dem „Glückshormon“, das eng mit Schlaf, Stimmung und Energielevel verknüpft ist. [7]

Die Rolle von sozialer Integration 

Isolation steigert chronischen Stress und Entzündungen. In den Wechseljahren, einer Lebensphase, die ohnehin durch hormonelle Umstellungen, Schlafprobleme, Stimmungsschwankungen und körperliche Veränderungen geprägt ist, kann soziale Unterstützung ein entscheidender Schutzfaktor sein. Freundschaften, regelmäßige Gespräche und das Gefühl, verstanden und verbunden zu sein, fördern die Ausschüttung von Oxytocin – einem Hormon, das nicht nur das Bindungsverhalten stärkt, sondern auch nachweislich Stress reduziert und entzündungshemmend wirkt. [8] Spaziergänge mit Freunden oder gemeinsame Aktivitäten im Alltag kombinieren mehrere gesundheitsfördernde Effekte: körperliche Bewegung, soziale Interaktion und neurobiologische Belohnung durch Hormonausschüttung.

Auch der Zusammenhang zwischen sozialer Integration und einem gesünderen Alterungsprozess wird zunehmend erforscht. Eine Meta-Analyse von Holt-Lunstad et al. (2015) zeigt, dass gute soziale Beziehungen mit einer signifikant niedrigeren Mortalitätsrate verbunden sind – ein Effekt, der vergleichbar mit dem von bekannten Risikofaktoren wie Rauchen oder Fettleibigkeit ist. [9]

Sexualität in den Wechseljahren 

Sexuelle Lust kann in den Wechseljahren abnehmen. Schleimhäute trocknen aus, was Schmerzen verursachen kann. Susanne Liedtke empfiehlt: 

  • Estriol-Cremes oder Ovula zur lokalen Pflege 
  • DHEA (Intrarosa) zur Unterstützung der Schleimhaut 
  • Testosterontherapie (kurzfristig) bei starker Libidominderung 
  • Offenheit für neue Formen von Intimität 

Ein Orgasmus wirkt entspannend und stressreduzierend – wichtig für das körperliche und emotionale Wohlbefinden. 

Wechseljahre und Arbeitswelt: Warum Aufklärung wichtig ist

In Unternehmen ist das Thema Wechseljahre oft noch ein Tabu. Dabei entstehen allein in Deutschland durch fehlendes Verständnis jährlich 40 Millionen verlorene Arbeitstage und ein volkswirtschaftlicher Schaden von 9,5 Milliarden Euro. Laut McKinsey Health Institute könnte die Schließung der Frauengesundheitslücke weltweit über eine Billion Dollar jährlich generieren. Empfohlene Maßnahmen für Arbeitgeber: 

  • Führungskräfte sensibilisieren und schulen 
  • Betriebsärztliche Beratungen anbieten 
  • Flexiblere Arbeitszeiten und Unterstützungsangebote schaffen 
  • Tabus abbauen und Wissen über Wechseljahre verbreiten

Fazit: Wechseljahre als Chance begreifen

Wechseljahre sind keine Krankheit – sie sind ein natürlicher biologischer Prozess. Mit fundiertem Wissen, gesunder Ernährung, aktiver Stressbewältigung, Bewegung und sozialer Unterstützung können Frauen diese Lebensphase nicht nur überstehen, sondern sie aktiv und positiv gestalten. Auch Männer, Arbeitgeber und die Gesellschaft insgesamt sind gefragt, den Wandel zu begleiten und zu unterstützen. Je früher Frauen beginnen, sich mit den Themen zu beschäftigen, desto besser können sie Beschwerden vorbeugen und die eigene Gesundheit langfristig stärken. Wechseljahre sind eine Einladung zur bewussten Selbstfürsorge und Neuorientierung – für ein gesundes, erfülltes Leben.


Literaturangaben

[1] Santoro, N., et al. (2021). "The Menopausal Transition: Signs, Symptoms, and Management Options." Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, 106(1), 1–11. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33095879/
[2] Universitätsklinikum Münster. (n.d.). "Wechseljahre des Mannes – Andropause". https://www.ukmp.de/medizin/gesamtueberblick/erkrankungen-des-mannes-andrologie/wechseljahre-des-mannes.html
[3] Chrousos, G. P. (2009). "Stress and disorders of the stress system." Nature Reviews Endocrinology, 5(7), 374–381. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19488073/
[4] Goolsby, M. E., & Shipherd, A. M. (2019). "Hormonal imbalance: The stress connection." The Nurse Practitioner, 44(1), 26–32. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19488073/
[5] Slavich, G. M., & Irwin, M. R. (2014). "From stress to inflammation and major depressive disorder: A social signal transduction theory of depression." Psychological Bulletin, 140(3), 774–815. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24417575/
[6] Simopoulos, A. P. (2002). "Omega-3 fatty acids in inflammation and autoimmune diseases." Journal of the American College of Nutrition, 21(6), 495–505. https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/07315724.2002.10719248
[7] Freeman, E. W., Sammel, M. D., Lin, H., & Nelson, D. B. (2011). "Associations of hormones and menopausal status with depressed mood in women with no history of depression." Archives of General Psychiatry, 68(4), 375–382. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16585466/
[8] Heinrichs, M., von Dawans, B., & Domes, G. (2009). "Oxytocin, vasopressin, and human social behavior." Frontiers in Neuroendocrinology, 30(4), 548–557. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19505497/
[9] Holt-Lunstad, J., Smith, T. B., Baker, M., Harris, T., & Stephenson, D. (2015). "Loneliness and social isolation as risk factors for mortality: A meta-analytic review." Perspectives on Psychological Science, 10(2), 227–237. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25910392/
Bild: Wechseljahre Verstehen. (2023). "Wann treten die Wechseljahre auf?" Wechseljahre Verstehen. https://wechseljahre-verstehen.de/wechseljahre/wann-treten-die-wechseljahre-auf/


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Bei unseren Episoden immer dabei: Unser health nerd Matthias. Wir möchten Dir ihn kurz vorstellen.

Matthias Baum
Matthias Baum ist health nerd bei artgerecht

Matthias Baum

Head of Science & Clinical Research. Gesundheitswissenschaftler, Therapeut für klinische Psychoneuroimmunologie, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Trainer, Clinical Research Associate.

„Seit mehr als zwölf Jahren bin ich im medizinischen und therapeutischen Umfeld diverser Bereiche tätig: Von Notfallmedizin über Therapie in Kliniken und Praxen, inklusive Prävention und Gesundheitsförderung, bis hin zu Tätigkeiten als Dozent im Gesundheitswesen. Das gibt mir heute einen breiten Blick auf alle notwendigen Ebenen in der Betreuung, Beratung und Behandlung von Patienten für individuelle Gesundheit, Wohlbefinden und einen artgerechten Lebensstil.“

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