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Durchfall durch Stress - Wenn die Psyche auf die Verdauung schlägt

Viele kennen Situationen wie diese: Vor Prüfungen oder wichtigen Terminen ist der Magen flau, der Appetit gering und der erste Weg am Morgen führt direkt auf die Toilette. Denn sowohl psychischer Stress, wie starke emotionale Anspannung, Angst oder Ungewissheit, als auch gesteigerte Belastung, können Ursachen für akuten Durchfall sein.


Was ist Stress?

Ob auf der Arbeit oder im privaten Umfeld – grundsätzlich ist der Gedanke an Stress erst einmal negativ behaftet. Um zu verstehen, was genau sich dahinter verbirgt, kommt man nicht umher die physiologischen Zusammenhänge in unserem Superorganismus „Mensch“ genauer zu betrachten.

Neben den bekannten Einteilungen in positiven und negativen Stress (Eustress und Distress), stellte das evolutionär entwickelte Stresssystem einen wichtigen Faktor für das Überleben dar. Das elementare funktionelle System des Organismus ermöglichte, dass der Mensch überhaupt überlebt hat und auch heute überleben kann: Von Aufstehen und Aufwachen (Biorhythmus), Bewegung und Sport, Denken und Aufgabenbewältigung über den Tag – das Stresssystem ist immer aktiv.

Was passiert in unserem Körper?

Alles beginnt mit einem Reiz, der mit den menschlichen Sinnen wahrgenommen wird. Das kann zum Beispiel eine optische oder akustische Wahrnehmung sein. Die unterbewusste Verarbeitung sorgt dafür, dass die Information an das Gehirn übertragen und verarbeitet werden kann, wenn wir etwa eine Spinne oder Giftschlange vor uns sehen. Die Abwägung basierend auf Erfahrungen „ist das gefährlich oder nicht“ sorgt bei einem Großteil zunächst für die Aktivierung des Stresssystems.

Während akutem Stress spielen alle anderen Funktionen, wie Essen oder Verdauen, für das “Überleben” keine Rolle.

Die Stressreaktion

Die erste Aktivierung der Stressreaktion erfolgt über die sogenannte SAM-Achse(Sympathikus-Nebennierenmark-Achse). Diese wird im Gehirn direkt aktiviert und sendet über Nervenbahnen elektrische Impulse an die Nebenniere bzw. das Nebennierenmark. Es kommt zu einer Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin. Diese beiden Hormone sorgen im Körper für den Abbau von Fett(Lipolyse), das Speichern von Energie (Glykolyse) und die Neubildung von Zucker (Glukoneogenese) hauptsächlich aus Eiweißen.

Um die Reaktionsbereitschaft, Aufmerksamkeit und Konzentration zu erhöhen, reagieren vom Sympathikus (er signalisiert dem Körper eine Aktivitätssteigerung) versorgte Organe ebenfalls mit einer Anpassung an die Stressbelastung: Die Herzfrequenz wird beschleunigt, die Bronchien werden geweitet und die Atemfrequenz und -tiefe erhöht. Die Muskulatur wird vermehrt durchblutet, die Pupillen erweitern sich, die Magen-Darm-Tätigkeit inklusive Verdauung wird reduziert.

Zirkulierendes Adrenalin und Noradrenalin gelangen über die Blutbahn so auch zum Gehirn. Über diese Information wird im Hypothalamus, der Schaltzentrale des Gehirns, die Information von Stress vermittelt. Der Hypothalamus beauftragt die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) jetzt, ein Hormon in die Blutbahn zu geben (ACTH), das durch den Blutfluss wieder die Nebenniere erreicht. Dort sorgt es für eine Ausschüttung von Cortisol. Durch Mobilisierung gespeicherter energiereicher Verbindungen wird Energie für unmittelbare und anhaltenden körperlichen und psychischen Stress bereitgestellt. Akuter und chronischer Stress kann durch die Hormone Cortisol und Noradrenalin auch die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut und die Eiweißverdauung negativ beeinflussen [2]. Die beschriebenen Effekte führen zu einer Anpassung des Körpers an die Anforderungen der Stresssituation. [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]

Kämpfen oder Flüchten!

Beziehen wir diese Erkenntnisse auf das Beispiel mit der Spinne, dann folgt eine Entscheidung, die wohl eher unterbewusst getroffen wird: Kämpfen oder Flüchten! Durch die Aktivität der Stressachsen und die ausgeschütteten Hormone sind wir bestens darauf vorbereitet. Energie und Blut im Körper sind dort, wo sie benötigt werden: in der Muskulatur, den Lungen und im Gehirn, dafür aber nicht im Verdauungstrakt und insbesondere im Darm. Der gesamte Organismus befindet sich nun in Alarmbereitschaft: Von der ersten Aktivität über die SAM-Achse, bis hin zur Cortisolausschüttung, vergehen ein paar Minuten. Die Lösung bleibt gleich, ob Spinne oder Schlange, Löwe oder Reh, wir müssen uns bewegen, denn das gibt das Stresssystem vor. 

Nun kann aber ein Organismus nicht zwischen einem Löwen, einer Spinne oder einem „Vortrag vor einer Gruppe“ oder auch der bevorstehenden Steuererklärung unterscheiden. Nerval und hormonell passiert das Gleiche wie oben beschrieben. Wichtig ist auch zu verstehen, dass während akutem Stress alle anderen Funktionen „weniger“ überlebenswichtig sind. Zu Essen oder zu verdauen, sich fortzupflanzen oder zu regenerieren, spielt demnach für das „Überleben“ keine Rolle.

Exkurs: Akuter und chronischer Stress

Im Magen-Darm-Trakt sitzen hundert Millionen Nervenzellen, die in Belastungssituationen reagieren. Akuter und chronischer Stress kann durch die Hormone Cortisol und Noradrenalin die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut und die Eiweißverdauung negativ beeinflussen. [2] Stress aktiviert, wie auch Alkohol, die Mastzellen in der Darmschleimhaut.[10] [11]

Stress kann zudem Ursache für Symptome, wie Bauchschmerzen, Verstopfung, Durchfall, Blähungen, Übelkeit und Erbrechen sein. Auch Magengeschwüre, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa), das Reizdarm-Syndrom oder chronische Entzündung und Schmerz stehen damit in Verbindung.

Warum entsteht Durchfall durch Stress?

Extreme Stresssituationen, wie z. B. Angst vor Prüfungen, Wettkämpfe oder wichtige Termine können Ursachen für Stress-Durchfall sein. Denn im ausgelösten Flucht-Kampf-Modus wird der Verdauungstrakt weniger durchblutet. Das enterale Nervensystem, also das „Gehirn im Darm“, sorgt für eine schnellere Beweglichkeit des Darms und dem Ausscheiden von überflüssigen Nahrungsbrei, der in einer Stressphase eher kontraproduktiv ist. Gleichzeitig bewirken die Stresshormone, insbesondere Noradrenalin und Cortisol, eine „Öffnung der Darmbarriere“, mit dem Ziel möglichst viel Energieträger aufzunehmen. Die Folge ist Durchfall durch Stress, was auch als Fluchtreflex beschrieben wird.

Hilfreich bei Durchfall durch Stress: eine gesunde, entzündungshemmende Ernährungsweise mit gesunden Fetten oder mediterraner Kost.

Was hilft bei Durchfall durch Stress?

Wie Betroffene mit belastenden Situationen umgehen und welche „Strategien“ zur Verfügung stehen, um angepasst reagieren zu können, hat Einfluss darauf, wie widerstandsfähig sie sind. Lassen sich bestimmte körperliche oder psychische Belastungen nicht vermeiden, kann Bewegung helfen: Sprinten, Rennen und Laufen, oder direkt vor einer „Prüfungssituation“ zum Beispiel 20 Kniebeugen oder 20 Liegestützen machen. Auch auf eine gesunde, entzündungshemmende Ernährungsweise etwa mit gesunden Fetten oder mediterraner Kost sollte geachtet werden. Neben Bewegung, Biorhythmus (7 bis 8 Stunden Schlaf pro Nacht) und Entspannung (Meditation, Yoga oder Massagen) spielt die richtige Nährstoffversorgung eine wichtige Rolle, da in stressigen Situationen generell erhöhter Bedarf besteht. Auch das eigene Verhalten und die Einbindung in ein soziales Umfeld (Freundschaft und Liebe) haben Einfluss auf das individuelle Stressempfinden der Betroffenen.

Wenn der Durchfall nicht besser wird

Wer häufiger unter Magen-Darm-Beschwerden oder starkem Durchfall leidet, sollte nicht davor zurückschrecken, seinen Therapeuten oder Arzt aufzusuchen, um eine entsprechende Behandlung in die Wege zu leiten und die Ursachen abzuklären. Möglicherweise kann dem Durchfall eine Krankheit, wie z. B. eine entzündliche Darmerkrankung, zugrunde liegen, die mithilfe von Medikamenten therapiert werden sollte.

Das Prinzip der Hormesis: Durch einen gezielten Reiz können Schutz- und Reparaturmechanismen in den Zellen aktiviert werden – beispielsweise durch Gewürze wie Ingwer.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Stressresistenter werden

Wir Menschen sind seit jeher unterschiedlichsten Reizen wie Hitze, Kälte, Hunger oder Durst ausgesetzt. Auch in punkto Ernährung haben bestimmte Pflanzenstoffe oder Substanzen (heute etwa Gewürze wie Kurkuma oder Ingwer) unseren Körper schon „herausgefordert“. Ein gewisses Maß ist ganz natürlich und auch gut, denn es stößt in unseren Zellen eine Art Überlebensprogramm an. Heute können wir solche Reize auch bewusst nutzen – nach dem Prinzip der Hormesis, also der optimalen Dosierung. Durch einen gezielten Reiz können so Schutz- und Reparaturmechanismen in den Zellen aktiviert werden. 

Literatur:

  1. Teitelbaum AA, Gareau MG, Jury J, Yang PC, Perdue MH. Chronic peripheral administration of corticotropin-releasing factor causes colonic barrier dysfunction similar to psychological stress. Am J Physiol Liver Physiol. 2008;295(3):G452-G459. doi:10.1152/ajpgi.90210.2008.
  2. Söderholm JD, Perdue MH. II. Stress and intestinal barrier function. Am J Physiol Liver Physiol. 2001;280(1):G7-G13. doi:10.1152/ajpgi.2001.280.1.G7.
  3. Söderholm JD, Perdue MH. II. Stress and intestinal barrier function. Am J Physiol Liver Physiol. 2001;280(1):G7-G13. doi:10.1152/ajpgi.2001.280.1.G7
  4. Wolf A, Wolf F. Burn-out: Eigenständige Erkrankung oder Wegbereiter der Depression? Diagnostik und Therapie. Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin. 2013;1:19-23. doi:10.1055/s-0035-1559600.
  5. Wolf A, Wolf F. Burn-out: Eigenständige Erkrankung oder Wegbereiter der Depression? Ursachen und neurobiologische Stressreaktion. Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin. 2013;1:4-8. doi:10.1055/s-0035-1559600.
  6. Wolf A. Diagnostik und Therapie von Stressbelastungen. Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin. 2016;1(01):26-27. doi:10.1055/s-0035-1547595.

  1. Nicolaides NC, Kyratzi E, Lamprokostopoulou A, Chrousos GP, Charmandari E. Stress, the stress system and the role of glucocorticoids. Neuroimmunomodulation. 2015;22:6-19. doi:10.1159/000362736.
  2. Chrousos GP. Stress and disorders of the stress system. Nat Rev Endocrinol. 2009;5(7):374-381. doi:10.1038/nrendo.2009.106 PM  – 19488073 M4  – Citavi.
  3. Cyr NE, Romero LM. Identifying hormonal habituation in field studies of stress. Gen Comp Endocrinol. 2009;161(3):295-303. doi:10.1016/j.ygcen.2009.02.001.
  4. Kvetnansky R, Sabban EL, Palkovits M. Catecholaminergic Systems in Stress: Structural and Molecular Genetic Approaches. Physiol Rev. 2009;89(2):535-606. doi:10.1152/physrev.00042.2006.
  5. Lutgendorff F, Akkermans L, Soderholm J. The Role of Microbiota and Probiotics in Stress-Induced Gastrointestinal Damage. Curr Mol Med. 2008;8(4):282-298. doi:10.2174/156652408784533779.
  6. Gareau M, Silva M, Perdue M. Pathophysiological Mechanisms of Stress-Induced Intestina Damage. Curr Mol Med. 2008;8(4):274-281. doi:10.2174/156652408784533760.

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