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Auf nüchternen Magen trainieren – Eine evolutionäre Sicht auf Bewegung

Für Viele klingt es wahrscheinlich erst einmal unlogisch, auf nüchternen Magen zu trainieren. Denn woher nehmen wir die Energie, wenn wir Sport vor dem Frühstück machen? Führt das nicht unweigerlich zu einem Leistungsabfall? Wir erklären, warum es durchaus Sinn macht, auf leeren Magen zu trainieren und welche positiven Effekte es auf Deinen Körper und Deine Leistung haben kann.


Wie funktioniert Training auf nüchternen Magen und was passiert im Körper?

Um Energie am Morgen zur Verfügung zu haben, besitzen wir ein körpereigenes System – unseren Biorhythmus. Hierbei handelt es sich um einen genetisch gesteuerten 24-Stunden-Rhythmus, der als eine Art „Taktgeber“ für die Aktivität jedes Organs und jede Zelle dient [1].  Dieser Taktgeber aktiviert unsere Stresshormonachse [2], welche durch die Ausschüttung von Cortisol dafür sorgt, dass wir wach werden und auch unser Bewegungssystem in Gang gesetzt wird. Das nennt man auch Cortisol awakening response (CAR). [4] Cortisol steuert dabei viele Stoffwechselprozesse: Zum Beispiel die Neubildung von Energie in Form von Glukose in der Leber, die Erhöhung der Gehirndurchblutung und Energiebereitstellung in Gehirn und Muskulatur sowie die Regulation des Immunsystems [5]. Der Körper versorgt sich also physiologisch selbst mit Energie. Es braucht demnach zunächst keine Nahrung von außen.

Was passiert beim Nüchterntraining?

Durch ein Workout auf nüchternen Magen wird Energie verbraucht – unter anderem in Form von Zucker. Dadurch ist weniger Zucker für unsere Zellen verfügbar. Das bedeutet gleichzeitig, dass dort weniger Energie in Form von ATP (universeller Energieträger im Körper) gebildet werden kann. Den Energiemangel registriert die Zelle mit dem sogenannten Enzym AMPK (AMP-aktivierte Proteinkinase). Dieses sorgt dafür, das aus der reduzierten Menge Zucker mehr ATP produziert wird: Es findet also eine Art „Ökonomisierung des Energiehaushaltes“ statt [6].

Damit dieser Prozess funktioniert müssen:

  1. Mehr Mitochondrien (Kraftwerke der Zellen) gebildet werden, um die sauerstoffabhängige Energieproduktion zu erhöhen[7] 
  2. Neue Zucker-Transporter gebildet werden, die die Aufnahme von Zucker aus der Blutbahn in die Zelle verbessern. [13]

Beide Prozesse sind bedingt durch AMPK, sodass nach einiger Zeit des nüchternen Trainings, leichter Zucker aufgenommen und in den neuen Mitochondrien zu viel ATP verarbeitet werden kann. Insgesamt wird so die Energieproduktion optimiert und aus den körpereigenen Reserven – den Fettzellen – werden Fettsäuren gelöst und zu ATP verarbeitet. Die Zellen werden wieder sensitiver für Insulin und der Zuckerhaushalt wird optimiert. 

Diese Mechanismen werden bei dem Verzehr von Kohlenhydraten bzw. einem ausgiebigen Frühstück vor oder während der sportlichen Aktivität massiv verringert. [8

Bewegung auf nüchternen Magen – Unsere evolutionäre Perspektive

Für unser Vorfahren galt in Punkto Nahrungsaufnahme: Erst bewegen dann Essen. Evolutionär stammt dieses System aus einer Zeit in der die ständige Verfügbarkeit von Nahrung – insbesondere morgens ohne vorheriges Sammeln oder Jagen – nicht möglich war. Der Homo Sapiens musste also fit genug sein, auf seine Reserven zurückzugreifen und sich auch mit einem leeren Magen motiviert zu bewegen, um nicht zu verhungern. Dieses System ist in unseren Genen verankert und wird über komplexe Mechanismen durch Hormone und Nerven reguliert. Eine wichtige Rolle dabei spielt dabei der Botenstoff Dopamin. Dieser ist unter anderem für unsere Neugierde verantwortlich und wird auch ausgeschüttet, wenn wir Hunger haben, was uns wiederum zur Bewegung motiviert [9].

Die besten Methoden und Tipps fürs Nüchterntraining

Auf leeren Magen zu trainieren bietet diverse Vorteile, wie zum Beispiel eine vermehrte Fettverbrennung [10] oder einen besseren Umgang mit Energie. Sozusagen eine „Ökonomisierung des Stoffwechsels“ [11]. Das gilt übrigens auch generell für das intermittierende Fasten. Sowohl Intervallfasten als auch nüchternes Bewegen helfen dabei unsere Körperzusammensetzung zu optimieren [12].

Der “Nachteil”: Die positiven Effekte von nüchternem Training stellen sich nicht umgehend ein. Auch Höchstleistungen können wahrscheinlich nicht sofort erbracht werden. Deshalb gehe beim ersten Mal nicht gleich von „0 auf 100“. Denn nüchtern sein und Hunger haben, bedeuten für den Körper auch Stress, also vermehrte Cortisol-Ausschüttung. Diese kann zwar durch Bewegung kompensiert werden, sollte aber speziell in den Anfängen nicht übertrieben werden. Wir empfehlen daher moderate Ausdauereinheiten und ein langsames Herantasten an die Belastung. Zur Vorbereitung kannst Du intermittierend fasten am besten über Nacht, ohne Belastung (Männer 16 Stunden, bei Frauen genügen auch 10-12 Stunden). Am Morgen startest Du dann mit leichten, kurzen Einheiten und steigerst Dich allmählich auf längere moderate Ausdauereinheiten (z. B. Laufen oder Radfahren)

Nüchtern trainieren – Geheimtipp für die Fettverbrennung?

Wer auf leeren Magen trainiert, kurbelt auch seinen Stoffwechsel an. Durch die Bewegung auf nüchternen Magen wird die Menge an Zucker in der Blutbahn verringert und die Energiebereitstellung vom Körper automatisch optimiert. Denn wenn die benötigte Energie nicht aus der Nahrung bezogen werden kann, greift der Körper automatisch auf die eigenen Reserven zurück, was sich positiv auf die Verringerung des Körperfettanteils auswirkt.

Gleichzeitig fängt unser Organismus an, zukünftigen Mangelsituationen entgegenzuwirken und sich anzupassen: In den Zellen wird ein Mechanismus durch den entstandenen Energiemangel losgelöst, der die Glukoseaufnahme verbessert. Das heißt, wir werden insulinsensitiver und neue Mitochondrien werden gebildet. So kann künftig auch nur mit wenigen Energiequellen möglichst viel Energie in Form von ATP produziert werden.

Welcher Sport eignet sich am besten für das Nüchterntraining?

  • Grundsätzlich sind Ausdauersportarten, wie Laufen oder Radfahren, sehr gut für Trainingseinheiten auf leeren Magen geeignet.
  • Wer dabei vor allem Fettpolster am Bauch, also die viszeralen Fettreserven, reduzieren möchte trainiert am besten moderat, dafür aber für einige Stunden am Stück. Zum Beispiel bieten sich hier längere Wanderungen durch die Natur an die tun Körper und Geist gleichermaßen gut und sind dabei effektiv. Natürlich müssen solche langen Bewegungseinheiten nicht jeden Tag stattfinden. 
  • Krafttraining, um die Muskeln zu stärken, ist natürlich auch möglich – aber eher mit niedriger Intensität.
  • Morgendliche High Intensity Intervall Trainings (HIIT), also kurze, intensive Einheiten und Übungen, sind ebenfalls gut geeignet, denn dabei geht der Organismus direkt in die vermehrte Fettverbrennung. Auch hier gilt: Gemäßigt herantasten und auf den eigenen Körper hören.

Wichtig: Bei Schwindel, Herzrasen oder Erschöpfung währen des Nüchterntrainings auf jeden Fall pausieren und beim nächsten Mal vorsichtiger einsteigen. Es ist nicht gesund und führt auch nicht zum Erfolg, wenn Du Deinen Körper überforderst.

Tipp: Unterstützung durch Aminosäuren

Wenn Muskeln aufgebaut werden sollen bzw. eine schnellere Regeneration nach dem Ausdauer- oder Krafttraining erwünscht ist, können freie Aminosäuren unmittelbar nach dem Training konsumiert werden und stehen dem Organismus in wenigen Minuten zu Verfügung. Bei vermehrter Belastung oder eiweißarmer Ernährung empfiehlt sich die Einnahme 2-mal pro Tag mit 5-6 Gramm. Bei sehr intensiver Belastung können höhere Dosierungen notwendig werden. Die Resorption ist auf nüchternen Magen (mindestens eine halbe Stunde vor dem Essen) am höchsten. Die Einnahme kann aber aufgrund der hohen Bioverfügbarkeit und der nicht notwendigen Verdauung jederzeit stattfinden.

Was isst man am besten nach dem Training?

Am besten wartest Du etwa 30 bis 90 Minuten nach dem Training, bevor Du die erste Mahlzeit zu Dir nimmst. Bestenfalls bereitest Du Dir dann ein artgerechtes Gericht zu. Diese sollte sein reich an:

  • Intrazellulären Kohlenhydraten, wie Wurzelgemüse (z. B. Karotten, Pastinaken, Petersilienwurzeln, Rettich, Schwarzwurzeln)
  • Guten Fetten (z. B. Olivenöl, Kokosöl, Nüsse, fetter Fisch)
  • Hochwertigen Proteinquellen (z. B. Fisch, Fleisch oder Eier aus artgerechter Tierhaltung bzw. artgerechtem Fang).

Rezept-Inspiration Gemüsepuffer

Ein Rezeptvorschlag für eine artgerechte Mahlzeit nach dem Sport:

Gemüsepuffer mit geräucherter Forelle und Wildkräutersalat

Zutaten

Puffer:

  •  600 g Wurzelgemüse (Möhren, Petersilienwurzel, Pastinake, Urkarotten)
  • 2 geräucherte Forellenfilets
  • 2-3 Frühlingszwiebeln
  • 4 Stiele Petersilie
  • 4 Stiele Dill
  • 3 Eier
  • 1 TL Salz
  • 1 kräftige Prise Muskatnuss
  • 1 Msp. Cayennepfeffer
  • ½ TL Bockshornkleesamen gemahlen
  • 1 TL Kokosmehl oder Johannesbrotkernmehl
  • 2-3 EL Olivenöl oder Ghee
  • Pfeffer

Salat:

  • 4 Handvoll Wildkräutersalat
  • 2 EL Olivenöl
  • 1 EL Weißweinessig, alternativ Zitronensaft
  • Salz

Zubereitung

Puffer:

  1. Wurzelgemüse schälen und grob in eine Schüssel raspeln.
  2. Frühlingszwiebeln in feine Streifen schneiden. Petersilie fein hacken.
  3. Alles zusammen mit Eiern, Muskatnuss, Salz, Cayennepfeffer und gemahlenen Bockshornkleesamen und Kokosmehl vermischen.
  4. Olivenöl oder Ghee in einer Pfanne erhitzen. Mit einem Esslöffel kleine Portionen Gemüsepuffer in die Pfanne setzen, etwas flach drücken und langsam von beiden Seiten goldbraun braten. Fertige Puffer herausnehmen und im Ofen warmhalten. Auf diese Weise fortfahren, bis alle Puffer fertig gebraten sind.

Salat:

  1. Für den Wildkräutersalat ein Dressing aus Olivenöl, Essig und Salz verrühren und mit dem gewaschenen Salat vermischen.
  2. Gemüsepuffer mit Dillspitzen, geräucherter Forelle, frisch gemahlenem Pfeffer und Wildkräutersalat servieren.

Guten Appetit!

Literatur:

  1. Schibler 2005
  2. Dumbell, Matveeva, and Oster 2016
  3. Dedovic and Ngiam 2015
  4. Clow et al. 2010
  5. Fries, Dettenborn, and Kirschbaum 2009
  6. Kjøbsted et al. 2018

  1. Cant and Auwerx 2009
  2. Civitarese et al. 2005
  3. Pruimboom, Raison, and Muskiet 2015
  4. Bachman, Deitrick, and Hillman 2016
  5. Hansen, De Strijcker, and Calders 2017
  6. Anton et al. 2018

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