Lactoferrin – das „Wundermolekül“ für jede Lebensphase
Der menschliche Körper ist über seine gesamte Lebensspanne hinweg schädlichen Einflüssen wie Umweltschadstoffen, Toxinen, Krankheitserregern und Krankheitsprozessen ausgesetzt. Daher ist das Interesse an und die Notwendigkeit von geeigneten Therapeutika groß.
Kürzlich veröffentliche die Forschergruppe Kowalczyk et al [1] einen spannenden Artikel über Lactoferrin als „Wundermolekül“, der das breite Spektrum der schützenden Rolle von Lactoferrin bei Gesundheit und Pathologie in allen Lebensphasen aufzeigt. Lactoferrin hat zahlreiche positive Eigenschaften – antibakterielle, antivirale, antimykotische und antiparasitäre sowie immunmodulatorische und entzündungshemmende Eigenschaften -, die eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Gesundheit vom Fötus bis ins hohe Alter spielen können [1].
Grundsätzlich wird sich oft die Frage gestellt, ob Lactoferrin überhaupt auf den Körper einwirken kann aufgrund des menschlichen Verdauungsprozesses. Zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse lassen allerdings darauf schließen, dass während der Verdauung stabile, immunologisch aktive Peptide entstehen. Zudem zeigen zahlreiche, einschließlich klinische Studien, dass Lactoferrin nach oraler Verabreichung wirksam ist und auch in den Darm gelangen kann [1].
Bereits vor der Geburt eines Menschen spielt Lactoferrin eine unterstützende Rolle zur Sicherung einer normalen Gewebeentwicklung des Fötus. Dies betrifft eine normale Knochenentwicklung, die adäquate Eisenverfügbarkeit und -absoprtion und den Schutz vor Entzündungen und Infektionen [1].
Aufgrund seiner immunmodulatorischen Eigenschaften hat Lactoferrin eine schützende Wirkung hinsichtlich der Entwicklung von Kindern, insbesondere von Neugeborenen und Säuglingen. Seit Jahren laufen zahlreiche klinische Studien, die bereits einen Schutz vor gastrointestinalen Infektionen, nekrotischer Enteritis und Sepsis zeigen konnten. Als wichtiger Teil der angeborenen Immunität verstärkt Lactoferrin die Wirkung von Antikörpern und kann sich regulatorisch auf die Produktion von Entzündungsmediatoren, reaktiven Sauerstoffspezies sowie weiteren wichtigen Zellen des Immunsystems auswirken. Zudem unterstützt die in vielen Studien gezeigte gute Verträglichkeit die Anwendung bei Säuglingen und Kleinkindern [1].
Auch auf die menschliche Fortpflanzung kann Lactoferrin positiv Einfluss nehmen. Durch seine probiotische Wirkung bietet es einen Schutz für unteren Genitaltrakt bei Frauen und Männern. Speziell bei Frauen können dadurch die Folgen von Entzündungen sowohl vor als auch während der Schwangerschaft verhindert und somit die Fruchtbarkeit gefördert werden. Neben dem Infektionsschutz beim männlichen Genitaltrakt kann Lactoferrin den Eisengehalt in den Spermien regulieren und somit deren Qualität positiv beeinflussen [1].
Der Alterungsprozess ist ein natürliches, komplexes Phänomen, der die Anfälligkeit für die Entwicklung von Systemkrankheiten wie Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurodegenerativen Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, Krebs oder Demenz erhöht. Durch die pleiotrope „Anti-Aging“-Wirkung von Lactoferrin kann dieses durch seine antioxidative und entzündungshemmende Wirkung sowie durch die Gewährleistung von Neuroprotektion oder Linderung von mitochondrialer Dysfunktion und systemischen Entzündungen den Alterungsprozess sowie dessen Begleiterkrankungen positiv beeinflussen [1].
Eine potenziell krebshemmende Wirkung von Lactoferrin zeigt sich vor allem in Bezug auf Darmkrebs sowie bei Leukämie im Kindesalter [2,3]. Dies kann mit der antioxidativen und antientzündlichen Wirkung zusammenhängen, weshalb DNA-Schäden und somit die Tumorentstehung verhindert werden könnten. Aber auch durch die Stimulierung der adaptiven Immunantwort ist eine Verhinderung der Entstehung von Krebs möglich.
Weit verbreitete, oftmals altersbedingte Erkrankungen sind zudem wie bereits erwähnt die Alzheimer-Krankheit sowie die Parkinson-Krankheit. Auch bei diesen neurodegenerativen Krankheitsbildern kann Lactoferrin als neuroprotektives Mittel wirken, was die Verbesserung kognitiver Funktionen sowie die Abschwächung der Alterung des Gehirns unterstützen kann. Diskutierte Mechanismen, die diese Wirkung erklären, sind zum einen die eisenregulierenden Eigenschaften sowie die Einflussnahme von Lactoferrin auf die mitochondriale Kalzium-Homöostase in degenerierten dopaminergen Neuronen [1].
Zusammenfassend wird ersichtlich, dass Lactoferrin ein therapeutisches Potenzial für zahlreiche Krankheitsbilder besitzt und ein wichtiger Begleiter der gesamten Lebensspanne ist. Viele weitere spannende Pathophysiologien wurden in dem Paper von Kowalczyk et al. thematisiert und wir sind auf weitere klinische Forschungsergebnisse hierzu gespannt, da viele Mechanismen noch nicht abschließend geklärt wurden.
Quellen
1. Kowalczyk, P., Kaczynska, K. & Kleczkowska, P. The Lactoferrin Phenomenon – A Miracle Molecule. Molecules, 27, (2022).
2. Ramírez-Rico, G., Drago-Serrano, M. E., León-Sicairos, N. & de la Garza, M. Lactoferrin: A Nutraceutical with Activity against Colorectal Cancer. Frontiers in Pharmacology vol. 13 Preprint at https://doi.org/10.3389/fphar.2022.855852 (2022).
3. Amitay, E. L. & Keinan-Boker, L. Breastfeeding and childhood leukemia incidence: A meta-analysis and systematic review. JAMA Pediatrics vol. 169 Preprint at https://doi.org/10.1001/jamapediatrics.2015.1025 (2015).