- 15 April 2021
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Artgerechte Ernährung: Wie ernährt sich der Mensch?
Table of contents
- Was ist eine artgerechte Ernährung?
- Flexibilität ist der Erfolg der Menschheit
- Die menschliche DNA – Unsere Hardware
- Was bedeutet eine artgerechte Ernährung für den Menschen?
- Die menschliche Epigenetik – Unsere Software
- Die nicht-menschliche DNA – Unser Hardwareupdate
- Welche Nahrung braucht der Mensch?
- Was ist das Problem an der westlichen Ernährung?
- Welche evolutionären Aspekte gilt es noch zu beachten?
- Das Grundkonzept der artgerechten Ernährung im Überblick:
- Literatur:
Von Low-Carb und ketogen, über vegetarisch und vegan, bis hin zur mediterranen Ernährung gibt es eine Vielzahl an Ernährungsformen beziehungsweise Diäten. Doch welche ist die richtige – oder vielmehr eine artgerechte für uns Menschen? Gibt es so etwas überhaupt?
Was ist eine artgerechte Ernährung?
Unter einer artgerechten Ernährung im Allgemeinen, versteht man eine an den Stoffwechsel des Organismus angepasste Ernährung. In diesem Falle für uns Menschen, also dem Homo Sapiens. Dies ist insofern wichtig zu unterscheiden, da der Begriff eher mit Tieren und deren Wohl assoziiert ist und weniger mit dem Menschen in Verbindung gebracht wird. Gleichwohl ist es aber nachvollziehbar, dass auch die menschliche Ernährung und Lebensweise im Laufe der Evolution geprägt wurde und fest in unseren Genen verankert ist.
Flexibilität ist der Erfolg der Menschheit
In der Evolution geht es immer um die Fähigkeit, sich anpassen zu können. Umso flexibler ein Lebewesen und umso schneller die Anpassungsfähigkeit, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit auf ein erfolgreiches Überleben der Art. Dabei spielt neben der Fortpflanzung auch die Nahrungsaufnahme eine entscheidende Rolle. Die Nahrung sichert uns die notwendige Energie, ohne welche wir keine Stoffwechselprozesse durchführen können. Welche Art von Nahrung wir aufnehmen können, ist genetisch festgeschrieben.
Die menschliche DNA – Unsere Hardware
Für die Auswahl unserer Nahrung gibt es ein paar Spielregeln, die für unser Überleben von großer Bedeutung sind. Denn nicht alle Lebewesen (egal ob Pflanze, Pilz oder Tier) auf der Welt möchten von uns gegessen werden, bzw. können wir im Umkehrschluss essen. Dementsprechend bringen wir eine gewisse evolutionsbasierte Grundausstattung in Form von unserem Verdauungssystem mit. Dadurch ist die Verwertbarkeit bestimmter Nahrungsmittel festgelegt und lässt sich nur langsam von Generation zu Generation durch einen evolutionären Druck abändern. Doch was bedeutet das im Hinblick auf eine artgerechte Ernährung?
Was bedeutet eine artgerechte Ernährung für den Menschen?
Unser Verdauungssystem kann durch seine Funktion bestimmte Lebewesen besser, andere schlechter und manche wiederum gar nicht verdauen. Ganz einfach gesagt, können wir nicht von dem Verzehr von Gras leben, eine Kuh aber schon. Sie hat ihre komplette Hardware (ihr Verdauungssystem mit sieben anstatt einem Magen) daran angepasst. Wir sterben zwar nicht, wenn wir etwas Gras essen würden, wir könnten allerdings nicht durch den alleinigen Verzehr von Gras überleben, denn unser Verdauungssystem bzw. unsere Hardware ist darauf nicht ausgelegt. Eine artgerechte Ernährung für den Menschen berücksichtigt also, welche Nahrungsmittel wir in unserer Evolution schon lange (mehrere 100.000 Jahre) gegessen haben.
Die menschliche Epigenetik – Unsere Software
Dass wir als Menschen nur einen Magen haben, ist in unseren Genen hinterlegt. Wie dieser aber funktioniert und an was er sich anpassen kann, wird über die Epigenetik gesteuert. Diese Anpassung in der Software kann von Mensch zu Mensch, sogar von Generation zu Generation unterschiedlich sein und gibt uns eine hohe Flexibilität zur individuellen Anpassung an die Umgebung.
Ein Beispiel: Der verstärkte und verlängerte Konsum von Milchprodukten über mehrere 1000 Jahre hat in Europa dazu geführt, dass die Bevölkerung die Fähigkeit, Milchzucker durch ein milchzuckerspaltendens Enzym aufzuspalten, nach der Kindheit nicht verloren hat. Das bedeutet, dass wir auch nach dem Kleinkindalter dazu in der Lage sind Milchzucker zu verwerten, um daraus Energie zu produzieren. In anderen Teilen der Welt, wie z.B. in weiten Teilen Asiens, ist dies nicht geschehen, weshalb dort viele Menschen im Erwachsenenalter keine Milchprodukte vertragen. Hier hat also lediglich eine Veränderung in der Software stattgefunden. Ob diese Veränderung gut oder schlecht für unsere Gesundheit ist, geht daraus jedoch nicht hervor.
Die nicht-menschliche DNA – Unser Hardwareupdate
Ein Vorteil ist, dass uns die Natur ein paar „Extra-Gene“ eingebaut hat, um noch flexibler zu sein. Diese genetische Extra-Portion findet sich in unserem Darm und nennt sich Darmflora. Durch unsere Darmbakterien erhöhen wir unsere Flexibilität in der Nahrungsaufnahme und Energieverwertung (Davenport u. a., 2017). Haben wir für ein Nahrungsmittel z.B. kein Enzym, wie es bei Ballaststoffen der Fall ist, so gibt es Bakterien, die diese Aufgabe übernehmen und Energie für uns daraus produzieren. Da jeder Mensch, durch die Vielzahl an Ernährungsformen, eine unterschiedliche Ernährungsweise hat, gibt es auch nicht ein Mikrobiom, sondern eine breite Palette an Konfigurationen, die uns ein großes Nahrungsspektrum ermöglichen.
Gibt es die ultimative Ernährungsformel?
Ernährungsformen enstehen meist dadaurch, dass sich bestimmte Erkenntnisse aus Wissenschaft, verknüpft aus gesellschaftlicher Tradition oder auch Bereichen der Erfahrungsheilkunde etabliert haben. Das ist auch gut so – solange daraus keine Dogmen entstehen. Betrachtet man die menschliche Evolution kann man erkennen, dass sich der Mensch von Anbeginn als wahres Anpassungswunder zeigte. So einzigartig jeder Mensch ist, so verschieden sind auch die Bedürfnisse jedes Individuums. Wir sind alle unterschiedlich. Daher gibt es nicht diese eine Lösung. Allerdings gibt es Lebensmittel, die wir besser und schlechter vetragen. So kann man generell sagen, dass naturbelassene Lebensmittel einfacher von unserem Körper aufgenommen werden können, als industriell verarbeitete. Wer darauf achtet, möglichst viel Vielfalt in seine Ernährungsform zu integrieren und auf bestimmte Ernährungsrhythmen, wie beispielsweise intermiiteriendes Fasten achtet, dem schadet auch ein Burger nicht. Es kommt also, wie sooft im Leben, auf das richtige Maß an.
Welche Nahrung braucht der Mensch?
Da der Mensch ein Anpassungswunder ist, kommt es nicht, wie in vielen Diäten empfohlen, auf die prozentuale Verteilung von Kohlenhydraten, Eiweiß oder Fett an. Viel wichtiger ist, dass die Vielfalt in der Ernährung gewährleistet wird. In einer großangelegten Studie konnte gezeigt werden, dass eine Nahrungsdiversität von 30 verschiedenen Pflanzen pro Woche (Gemüse und Obst) schon zu deutlichen Veränderungen im Mikrobiom führt, welche mit mehr Gesundheit assoziiert ist (McDonald u. a., 2018). Eine pflanzenbasierte und damit ballaststoffreiche Ernährung fördert die Artenvielfalt der Darmflora und verbessert die Aufnahme von Nährstoffen (Stephanie L. Schnorr u. a., 2014).
Bei einem Vergleich der Zusammensetzung der Darmflora von Jägern und Sammlern mit Westeuropäern wurde eine um 30% verringerte Artenvielfalt in der Darmflora bei Westeuropäern festgestellt (Davenport u. a., 2017), was nicht nur einen deutlichen Verlust von Flexibilität darstellt, sondern auch starke Auswirkungen auf unsere Gesundheit und das Entstehen von Zivilisationserkrankungen hat (S L Schnorr u. a., 2014)(Lozupone, Stombaugh, Gordon, Jansson, & Knight, 2012). Die untersuchten Jäger und Sammler ernähren sich fast ausschließlich von Baobab (eine ballaststoffreiche Frucht des Affenbrotbaumes), Beeren, Knollen, Fleisch und Honig.
Was ist das Problem an der westlichen Ernährung?
Der Mensch braucht grundsätzlich Nahrung, an die er genetisch angepasst ist. Nahrungsmittel, die erst seit „kurzer Zeit“ zur Verfügung stehen (durch den Beginn der Landwirtschaft und die industrielle Revolution), bringen das Problem mit sich, dass hier noch keine optimale Anpassung stattgefunden hat. So kann der Mensch z.B. nur mit gesundheitlichen Konsequenzen eine große Menge an azellulären Kohlenhydraten wie Getreide und Zucker (Spreadbury, 2012) oder industriell gefertigte Pflanzenfette wie Sonnenblumen- oder Distelöl (A. P. Simopoulos, 2006) (Artemis P. Simopoulos, 2011) verzehren. Auch Soja-Produkte und Fleisch aus nicht artgerechter Tierhaltung sind neue Nahrungsmittel, welche nicht nur positive Effekte zeigen und mit gesundheitlichen Problemen in Zusammenhang stehen können (Imran u. a., 2018)(Godfray u. a., 2018).
Welche evolutionären Aspekte gilt es noch zu beachten?
Neben einer möglichst hohen Vielfalt in der Ernährung spielt es fast noch eine größere Rolle wie viel und wie häufig der Mensch isst. Eine an den Stoffwechsel des Organismus angepasste Ernährung, beinhaltet auch eine optimale Nahrungsfrequenz, da diese am Stoffwechsel maßgeblich beteiligt ist. Ein bis zwei Mahlzeiten pro Tag zeigen eine deutliche Reduktion des Krankheitsrisikos im Vergleich zu sechs Mahlzeiten und mehr (Kosec u. a., 2019). Der wichtigste Punk dabei ist die Länge der Fastenperiode, welche im besten Fall bei mindestens 12 Stunden liegt (Kosec u. a., 2019). Auch die Uhrzeit, zu der wir essen spielt eine wesentliche Rolle. Die Nahrungsaufnahme ist ein Signalgeber für unseren Biorhythmus, welcher bestimmt wie aktiv unsere Verdauungsorgane sind. Die optimale Zeit zu Nahrungsaufnahme liegt zwischen 07:00-19:00 Uhr (Kosec u. a., 2019). Berücksichtigt man diese Empfehlungen hat dies sogar einen positiven Einfluss auf unsere Darmflora (Kosec u. a., 2019).
Das Grundkonzept der artgerechten Ernährung im Überblick:
- Vielfalt: Eine vielfältige pflanzenbasierte und ballaststoffreiche Ernährung mit mindestens 30 unterschiedlichen Pflanzen pro Woche.
- Nahrungsfrequenz: Zwischenmahlzeiten vermeiden, in der Regel ein bis drei Mahlzeiten pro Tag. Mindestens 12-16 Stunden Pause zwischen der letzten und ersten Mahlzeit des Tages.
- Biorhythmus: Mahlzeiten idealerweise zwischen 07:00 und 19:00 Uhr konsumieren.
Literatur:
Davenport, E. R., Sanders, J. G., Song, S. J., Amato, K. R., Clark, A. G., & Knight, R. (2017, Dezember 27). The human microbiome in evolution. BMC Biology. BioMed Central Ltd. https://doi.org/10.1186/s12915-017-0454-7
Godfray, H. C. J., Aveyard, P., Garnett, T., Hall, J. W., Key, T. J., Lorimer, J., … Jebb, S. A. (2018, Juli 20). Meat consumption, health, and the environment. Science (New York, N.Y.). American Association for the Advancement of Science. https://doi.org/10.1126/science.aam5324
Imran, M., Gilani, S. A., Bashir, S., Biomed, F. A., Sci, J., & Res, T. (2018). Effects of Dietary Soy and Its Constituents on Human Health: A Review Volume 5-Issue 4: 2018 Open Access. https://doi.org/10.26717/BJSTR.2018.12.002239
Knight, R. (2015, Januar 1). Dietary effects on human gut microbiome diversity. The British journal of nutrition. Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/S0007114514004127
Kosec, T., Kuhar, V., Kranjc, A., Malnarič, V., Belingar, B., & Legat, A. (2019). The influence of meal frequency and timing on health in humans: The role of fasting. Sensors (Switzerland), 19(8), 1–19. https://doi.org/10.3390/s19081956
Lozupone, C. A., Stombaugh, J. I., Gordon, J. I., Jansson, J. K., & Knight, R. (2012, September 13). Diversity, stability and resilience of the human gut microbiota. Nature. Nature. https://doi.org/10.1038/nature11550
McDonald, D., Hyde, E., Debelius, J. W., Morton, J. T., Gonzalez, A., Ackermann, G., … Kosciolek, T. (2018). American Gut : an Open Platform for Citizen Science Microbiome Research, 3(3), 1–28. Abgerufen von https://doi.org/10.1128/mSystems
Petti, A., Palmieri, B., Vadalà, M., & Laurino, C. (2017). Vegetarianism and veganism: not only benefits but also gaps. A review. Nutrition, 19, 229–242. https://doi.org/10.23751/pn.v19i3.5229
Schnorr, S L, Candela, M., Rampelli, S., Centanni, M., Consolandi, C., Basaglia, G., … Crittenden, A. N. (2014). Gut microbiome of the Hadza hunter-gatherers. Nat Commun, 5, 3654. https://doi.org/10.1038/ncomms4654
Schnorr, Stephanie L., Candela, M., Rampelli, S., Centanni, M., Consolandi, C., Basaglia, G., … Crittenden, A. N. (2014). Gut microbiome of the Hadza hunter-gatherers. Nature Communications, 5. https://doi.org/10.1038/ncomms4654
Simopoulos, A. P. (2006). Evolutionary aspects of diet, the omega-6/omega-3 ratio and genetic variation: nutritional implications for chronic diseases. Biomedicine and Pharmacotherapy, 60(9), 502–507. https://doi.org/10.1016/j.biopha.2006.07.080
Simopoulos, Artemis P. (2011). Importance of the Omega-6/Omega-3 Balance in Health and Disease: Evolutionary Aspects of Diet. In World review of nutrition and dietetics (Bd. 102, S. 10–21). https://doi.org/10.1159/000327785
Spreadbury, I. (2012). Comparison with ancestral diets suggests dense acellular carbohydrates promote an inflammatory microbiota, and may be the primary dietary cause of leptin resistance and obesity. Diabetes, Metabolic Syndrome and Obesity : Targets and Therapy, 5, 175–189. https://doi.org/10.2147/DMSO.S33473 PM – 22826636 M4 – Citavi