Die immunologische Funktion von Lactoferrin in der Virenabwehr
Lactoferrin, das multifunktionelle Protein mit vielen immunologischen Eigenschaften, hat in unzähligen Studien sein großes Potential in der Bekämpfung von Viren gezeigt. Es gibt kaum eine andere körpereigene Substanz, die so viel Präsenz an den Außenflächen des Körpers hat und so schonend wie effektiv gegen Viren wirkt.
In vitro und in vivo Studien an Menschen zeigen eine direkte antivirale Aktivität von Lactoferrin gegen unbehüllte und behüllte DNA- und RNA [1-3]. Lactoferrin hemmt den Eintritt des Virus in die Zelle, entweder durch direkte Bindung an die Viren oder durch die Blockade des entsprechenden Rezeptors des Virus. In den in vitro Untersuchungen zeigte sich Lactoferrin erfolgreich in der Bekämpfung von CMV, Hepatitis, HIV, Herpes simplex, Rotavirus, Poliovirus, Adenovirus und Mayaro-Viren [4].
Die hocheffektive Virenabwehr erfolgt über verschiedene Mechanismen:
- Hemmung der Infiltration
Lactoferrin wirkt in der akuten Phase der Infektion, indem es den Eintritt des Virus in die Zelle hemmt [4]. - Bindung an das Virus
Lactoferrin kann sich auch direkt an Viren binden und an der Vermehrung hemmen indem es an Glycosaminoglycane und Lipopolysaccharide der Viren bindet [4].
Zusätzlich kann Lactoferrin andere Teile der Immunabwehr unterstützen. Lactoferrin erhöht die Aktivität natürlicher Killerzellen und stimuliert die Aggregation und Adhäsion von Immunzellen (neutrophile Granulozyten) bei der Immunabwehr [5].
Breite Einsatzmöglichkeiten
Die Einsatzbereiche für Lactoferrin zur Abwehr von Viren sind sehr breit gestreut, ob in der Prävention, der akuten Abwehr oder auch in der Kombination mit anderen Präparaten. Lactoferrin zeigt eine synergistische Wirkung in Kombination mit antiviralen Medikamenten wie Zidovudin (HIV-1), Cidofovir (Cytomegalovirus), Aciclovir (Herpes simplex Typ 1 und 2) sowie Interferon und Ribavirin (Hepatitis C-Virus) [6-8].
Lactoferrin und COVID-19
Ein aktueller Artikel von Kell et al. [9] beschäftigt sich eingehend mit der Frage, inwieweit Lactoferrin auch eine Unterstützung bei der Bekämpfung von COVID-19 sein kann.
COVID-19 wird durch das Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) verursacht. Es ist bekannt, dass Lactoferrin in der Lage ist, zumindest mit einigen der Rezeptoren, die von SARS-CoV-2 genutzt werden, zu interagieren. Daher ist es denkbar, dass Lactoferrin hier einen Beitrag zur Prävention und Behandlung einer Infektion durch das Coronavirus leisten kann.
In diesem Artikel wird dargestellt, dass Lactoferrin zumindest an einige der Rezeptoren binden kann, die von Coronaviren als Eintrittspforte genutzt werden. Relevant sind in diesem Fall Heparansulfat-Proteoglykane (HSPGs) und das transmembrane Enzym Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2).
Diese Moleküle stellen eine Art Verankerungsstelle an der Oberfläche der Zelle dar und helfen dem Virus den ersten Kontakt zur Zelle herzustellen [1,10]. An HSPGs gebundenes SARS-CoV rollt dann auf der Zellmembran und sucht nach spezifischen Eintrittspforten, was zum anschließenden Zelleintritt führt [1]. HSPGs können entweder membrangebunden oder in sekretorischen Vesikeln und in der extrazellulären Matrix sein [11]. Es konnte gezeigt werden, dass Lactoferrin die Internalisierung einiger Viren durch Bindung an HSPGs verhindern kann [1].
Zwar sind es nicht die HSPGs allein, die es SARS-CoV ermöglichen in die Zelle tatsächlich einzudringen, aber sie spielen eine wichtige Rolle im Prozess des Zelleintritts [1].
SARS-CoV dringt letztendlich über den ACE2-Rezeptor ein in die Wirtszelle ein [12]. ACE2 wird stark exprimiert in menschlichen Lungenzellen, Enterozyten des Dünndarms und in den tubulären Zellen der Niere [1]. Wie exakt dieser Prozess bei SARS-CoV2 funktioniert, bedarf noch weiterer Forschung, aber indem Lactoferrin die spezifischen Rezeptoren blockt, stehen sie für das Virus nicht mehr zur Verfügung und spielen daher eine wichtige Rolle bei der Immunität des Wirts [13,14,15].
Eine COVID-19 Infektion kann, wie auch andere Infektionen, eine überschießende Entzündungsreaktion bedingt durch einen sogenannten Zytokinsturm auslösen [16]. Dieser führt zu einer übermäßigen Aktivierung der Thrombozyten (Blutplättchen), was wiederrum eine Thrombozytopenie verursachen kann. Thrombozytopenie ist bei Patienten mit COVID-19 assoziiert mit einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe und Sterblichkeit [17].
Viele COVID-19-Patienten entwickeln ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) [16], das in vielen Fällen zu Lungenödemen und Lungenversagen führt.
Diese Symptome sind assoziiert mit der übermäßigen Anzahl an entzündlichen Botenstoffen im Blut, das Kennzeichen des Zytokinsturms [16,18]. Dieser Zytokinsturm ist einer der Hauptursachen der hohen Mortalität bei einer Covid-19 Infektion. Aus Tier- und Humanstudien geht hervor, dass Lactoferrin einen klinischen Nutzen bei der Vorbeugung und Linderung des Zytokinsturms und seiner verheerenden Folgen in der Lunge haben könnte [19].
Zusammenfassend könnte Lactoferrin eine schützende Rolle bei der Abwehr von SARS-CoV-Infektionen spielen, indem es an die HSPGs bindet und die erste Interaktion zwischen SARS-CoV und den Wirtszellen blockiert [1]. Lactoferrin könnte außerdem sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch bei SARS-CoV-2 infektionsgefährdeten Patienten eingesetzt werden [19].
Quellen
1 Lang J, Yang N, Deng J, Liu K, Yang P, Zhang G, Jiang C. Inhibition of SARS Pseudovirus Cell Entry by Lactoferrin Binding to Heparan Sulfate Proteoglycans. PLoS ONE 2011; 6.
2 Chen J-M, Fan Y-C, Lin J-W, Chen Y-Y, Hsu W-L, Chiou S-S. Bovine Lactoferrin Inhibits Dengue Virus Infectivity by Interacting with Heparan Sulfate, Low-Density Lipoprotein Receptor, and DC-SIGN. International Journal of Molecular Sciences 2017; 18.
3 Carvalho CAM, Casseb SMM, Gonçalves RB, Silva EVP, Gomes AMO, Vasconcelos PFC. Bovine lactoferrin activity against Chikungunya and Zika viruses. The Journal of general virology 2017; 98: 1749–1754.
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18 Kell DB, Pretorius E. To What Extent Are the Terminal Stages of Sepsis, Septic Shock, Systemic Inflammatory Response Syndrome, and Multiple Organ Dysfunction Syndrome Actually Driven by a Prion/Amyloid Form of Fibrin? Seminars in thrombosis and hemostasis 2018; 44: 224–238.
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